Das Wohnmobil
5. Juni 2021
„Bis das der Tod Euch scheidet“
7. Juni 2021
parallax background
 

Der persönliche Winter

 
Kann frau sowas erleben? Einen inneren, persönlichen Winter? Sind dann auch andere innere Jahreszeiten möglich?
Ich bin Isa, so weit so gut. Mein Name entspricht mir, finde ich. Kurz und prägnant, ohne viel Tamtam, klar, gradlinig, einprägsam. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar.
Geboren 1962, also heute, im Juli 2019, im besten Mittelalter, auch wenn ich mich deutlich jünger fühle. Das älteste von vier Geschwistern, nur Mädels, und dabei hatte sich mein Vater doch wenigstens als viertes Kind einen Jungen gewünscht. Tochter und älteste Schwester.
Mehr als einmal für meine Schwestern auch Ersatzmutter gewesen, das war nicht immer einfach und prägt mich bis heute. Viel Verantwortung tragend auf viel zu schmalen Schultern, trotzdem die Last all die Jahre gut und sicher geschultert, kein Einknicken und Zusammenbrechen, das kam erst deutlich später…
In meinem Elternhaus im wahrsten Sinne des Wortes “zu Kurz gekommen“, ein Wortspiel mit meinem Geburtsnamen. Verheiratet gewesen, mein Mann ist an einem Herzinfarkt 02/2018 verstorben, unerwartet und plötzlich und doch wieder nicht, denn alle Anzeichen hatte er jahrelang ignoriert. Witwe! Was für ein Wort. Das sind normalerweise doch nur alte Frauen! Mutter eines Sohnes, auswärts lebend, noch im Studium befindlich, nach dem Tod seines Vaters wirtschaftlich unabhängig, klar, aber doch immer Kind bleibend. Schockstarre als er starb – traurig – über so vieles. Und ich war danach in einem persönlichen, inneren Winter – wenn es so etwas gibt. Konnte kaum in Worte fassen was es bedeutet, jemanden zu verlieren. Jemanden? Nein. Meinen Mann. Mein bisheriges Leben, alles in 1000 Scherben zerbrochen.

Nur ein Kind? Oder zum Glück eins? Lange Zeit konnte ich mich hinsichtlich des Sprachgebrauchs nicht entscheiden, auch heute noch fällt mir der Satz „Zum Glück eins“ schwer. Ich wollte mehr Kinder, es hat nicht sollen sein, jetzt ist es definitiv zu spät! „Wer weiß, wofür es gut ist“, tröstet leider auch nicht immer. Da gibt es einen unerfüllbaren Wunsch, Mehrfachmutter!
Schwimmbadblond, je nach Geschmack gutaussehend, braun angehaucht, dass Schwimmen im Bad hinterlässt Spuren. Mit dem Gewicht hadernd, unter 80 kg sollten es schon sein, aber ohne Diät so schwierig. Nicht unmöglich, das nicht, aber notwendig? Nein, ich denke nicht. Groß, mit 175 cm, ohne Absatz. Intelligent, redegewandt, oh ja, ein solides Halbwissen verwaltend, großzügig, mit schwarzem Humor ausgestattet, neugierig, mutig, abenteuerlustig, frauenpolitisch interessiert und vieles mehr. Ich bin wie ich bin und doch wäre ich an einigen Stellen gerne anders!

Freundin bin ich auch, ist das eine hilfreiche Eigenschaft bei der Beschreibung meines Selbst? Ich denke schon, denn Freundschaften sind wichtig. Freundschaften wollen und sollen gepflegt werden. In dem Sinne bin ich eine „Kümmerin“. Bin ich eine gute Freundin? Was unterscheidet die verschiedenen Arten der Freundschaft „normal, gut, sehr gut“ voneinander? Ich weiß es nicht, da endet die Selbstdarstellung/die Selbstwahrnehmung dann doch ganz schnell.

Weggefährtin bin ich auch, ich denke da an die Mitpatienten und Mitpatientinnen in der Klinik am Chiemsee am Anfang des Jahres. Teilweise sind wir sechs Wochen lang den Weg unserer Genesung gemeinsam gegangen, Weggefährten halt. Mir gefällt dieser Begriff.

Reiseleiterin, wenn ich Ausflüge für Kolleginnen und Freundinnen organisiere. Das macht mir Spaß, darin bin ich gut. Vor allen Dingen, seitdem nicht mehr alles perfekt sein muss, seitdem tatsächlich 100 % reichen. Wenn ich in meinem Beruf arbeite oder auch nur so tue, bin ich Kollegin. Mal heiß geliebt, mal tief gehasst, mal gleichgültig betrachtet, mein Wissen großzügig teilend, Geschichten erzählend, wenn ich gut drauf bin, aber das ist jetzt schon ein bisschen her. Mich für meine Kollegen einsetzend, auch ohne Funktion, wenn halt Not an der Frau ist.

Respektiert werde ich von meinen „Kunden“, immer noch ein unmögliches Wort für die Steuerpflichtigen, wie es richtig heißen muss, und deren Steuerberatern. Da ich ihr Bestes will “ihr Geld“, ist die Herstellung eines Konsens oder gar einer „win-win-Situation“ doch recht schwierig und manchmal auch einfach aufgrund der Natur der Dinge unmöglich.
Sportlerin, wenn 1000 m schwimmen im Sommer zur Definition des Begriffs reichen. Mit Begeisterung, aber ohne Stil. Ab und zu „Hausfrauengymnastik“ besser als nichts, manchmal auch sehr anstrengend. Zählt die Teilnahme am Betriebssport dazu? Sozial engagiert, schon seit Jahren organisiere ich die Hilfsaktion “Weihnachten im Schuhkarton“ im jeweiligen Tätigkeitsfinanzamt. Und mit großem Erfolg. Aber auch hier gilt wie im wahren Leben: Nur gemeinsam sind wir stark und erfolgreich.