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Putzfee

 
Die Putzfee, der Putzfee? Hm, lt. Wikipedia kann Fee sowohl weiblich als auch männlich sein, aber in erster Linie brauche ich eine griffige Bezeichnung für eine Reinigungskraft, Putzfrau klingt in meinen Augen so herablassend, Haushaltshilfe, ja geht, impliziert aber fast schon mehr als nur „putzen“, hm. Früher hieß die Putzfrau auch „Perle“, war sie wohl in den meisten Fällen auch, meine ehemaligen Putzfrauen waren es eher nicht.
Ich beschäftige Haushaltshilfen seitdem ich 1995 nach Franken gezogen bin, also schon sehr lange. Voll- bzw. Teilzeit arbeiten, Haushalt, Kind, Garten, Ehemann, alles nicht zu schaffen, wenn auch noch ein bisschen eigene freie Zeit dabei rausspringen soll. Außerdem hasse ich putzen! Wenn ich im Haushalt arbeiten wollte, hätte ich etwas Entsprechendes gelernt. Rechnerisch war es auch immer günstiger selbst 10 % mehr Teilzeit zu arbeiten als zu putzen, Pension und so.
Schon wieder in die Falle der Rechtfertigung getappt, blöd, habe ich in all den Jahren nichts gelernt? Ja, anscheinend nicht. Ich muss mich doch nicht dafür rechtfertigen, wenn ich einem anderen Menschen zu einem sog. „Minijob“ verhelfe. Tue ich aber, steckt noch so drin, berufstätige Frauen sollen alles schaffen, auch den eigenen Haushalt. Dabei bin ich gar keine Ausnahmeerscheinung. Sobald ich über Haushaltshilfen rede, sprechen auch andere Frauen von „ihren“ Putzfrauen, geht doch.
Hausangestellte, denn das sind die „Mini-Jobber“ ja oder sollten es zumindest sein, angemeldet bei der Knappschaft, mit Arbeitsvertrag und Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfristen, sind hier im ländlichen Raum schwer zu finden, meine Erfahrung. Aber weiß ich, welchen Ruf als Arbeitgeberin ich „draußen“ habe? Ob es auch daran liegt?

Wählerisch bin ich die letzten Jahre nicht mehr wirklich gewesen, sondern habe eher diejenige genommen, die anrief und sich tatsächlich persönlich vorstellte. Die Ungarin mit ihrem wenigen Deutsch, sie blieb immerhin zwei Jahre. Die Leistung wurde allerdings immer weniger, bloß nichts sagen, keine neue suchen wollen, genügsam werden. Die ältere Studentin war klasse, aber kam mit der Belastung Studium, Corona und Nebenjob nicht zurecht. Aber sie blieb so lange bis Mitte 2020 der Gips an meinen beiden Handgelenken abgenommen wurde und ich meine Finger etwas bewegen konnte. Das fand und finde ich immer noch sehr rücksichtsvoll. Sie ersetzte eine Polin, die Frau war die einzige echte Katastrophe unter all den Frauen, so etwas hatte ich noch nicht erlebt, was in ihrer Zeit alles kaputt ging, ach Du meine Güte! Nein, die Dinge gingen nicht kaputt, sondern wurden unachtsam behandelt, Anweisungen ignoriert, einfach schlampig gearbeitet. Wenn ich daran zurückdenke, bin ich immer noch zornig und wütend, denn viele Schäden wären vermeidbar gewesen!
Und dann war es wieder so weit, eine neue Anzeige musste aufgegeben werden, dringend, denn „Schön reden“ mit „Putzen ist Fitness in Zeiten von Corona“ oder „Wieder Geld gespart!“ halfen einfach nicht mehr gegen die wöchentliche Plackerei am Samstag oder Sonntag! Meine chronische Unlust zum Wischen, zum Staub saugen, zum Putzen halt, nahm einfach kein Ende! So viel Zeit für nichts Reelles, das ist mir meine Fitness nicht mehr wert und Geld, was soll’s, da spare ich lieber wo anders. Schluss, aus, Ende!

Ein, zwei Frauen riefen an, klangen ganz gut, und der dritte Anruf kam von einem Mann. Schluck! Ein Mann. Putzen? Bei mir? Plötzlich merkte ich, dass ich gar nicht so tolerant und aufgeklärt bin, wie ich immer tue, wie ich gern sein würde. Gleichberechtigung, dafür trete ich ein, und dann muss ich schlucken und nachdenken, wenn ein Mann sich bei mir auf eine Putzstelle bewirbt? Der Vorstellungstermin wurde ausgemacht, war ich froh, als er ihn plötzlich verschob. Bin das wirklich ich, die da plötzlich Bedenken hat? Klares deutsch sprach er auch nicht, der Name klang nach Migrationshintergrund, das letzte Buch über Alltagsrassismus liegt noch warm von meiner Hand auf dem Tisch.
Theorie und Praxis sind plötzlich zwei Dinge! Das hätte ich so nicht von mir gedacht, ich gebe mir einen Ruck, vereinbare einen neuen Termin und harre der Dinge, die da kommen. Die Frauen erscheinen nicht zum Vorstellungsgespräch, natürlich ohne Absage, unhöflich ja, aber leider schon fast Standard. Der Druck wird größer, je näher der Vorstellungstermin mit dem Mann kommt. Es klingelt und ich bin kaum noch überrascht, dass ein „People of Colour“ vor mir steht. Höflich, zuvorkommend und ja, tatsächlich auch qualifiziert! Probeputzen wird vereinbart und siehe da, der Mann kann was, ist schnell und sehr bei der Sache. Deutlich besser als manche der Frauen, die ich vor ihm beschäftigt hatte. Und, auch wenn es nichts zur Sache tut, in Deutschland geboren…

Interessant sind für mich in diesem Zusammenhang die Reaktionen, wenn ich erzähle, dass ich einen „Putzmann“ habe: „Putzt der nackt?“ Beim ersten Mal dachte ich noch, ich hätte mich verhört, aber nein, leider Realität. Und diese Frage kommt durchaus von Frauen, von denen ich dies nie vermutet hätte. Spaß? Wirklich? Einfach nicht nachgedacht? Ich war und bin schockiert ob dieser Frage, denn wenn ich von meinen Putzfrauen berichte, kommt diese Frage nie! Messen mit zweierlei Maß, auch noch im Frühjahr 2021!

Ich habe definitiv aus der Einstellung des Putzmannes etwas gelernt, auch wenn ich dafür über meinen Schatten springen musste (auch Sport): Putzfee ist Putzfee, egal ob blass oder farbig, männlich oder weiblich, allein die Qualifikation entscheidet über den Titel „Putzfee“!