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Töchter
23. Oktober 2025
Töchter
23. Oktober 2025

Wenn das Lebben fast nur Baustellen kennt

Es ist Sonntagmorgen, der erste im November. Dunkel ist es draußen, kein Grund zur Beunruhigung, es ist noch früh. Ich habe momentan so viele Baustellen in meinem Leben, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Schmerzhaft sind sie irgendwie alle.

Anfang Dezember treibt der Streit mit meinem Vermieter einem neuen Höhepunkt entgegen, die Räumungsklage wird verhandelt. Hm. Ich bin gespannt, wie die ausgeht, wir werden sehen. Wie war das noch mit „Gericht“, „See“ und „Gottes Hand“? Oder der Blindheit von Justitia?

Gute Überleitung, nein, traurige Überleitung: Während ich im Oktober fast die gesamte Zeit über unterwegs war, ist der Optiker meines Vertrauens gestorben. Bedauerlicherweise habe ich das erst gestern, nach der Beisetzung, erfahren. Das tut meiner persönlichen Trauer über den Verlust eines Weggefährten aber keinen Abbruch. Wir lernten uns kurz nach dem Tod meines Mannes kennen. Er war nicht nur eine Wohltat für meine Augen, sondern auch ein guter Zuhörer und ein stiller Förderer meiner Projekte. Ein Mann mit Herz und sehr viel menschlicher Wärme. Und die ist jetzt aufgebraucht.

Anscheinend genauso wie die gemeinsame Zeit mit meiner Münchener Freundin. Auch wenn sich das Ende des gemeinsamen Weges, oder zumindest eine Pause, für mich schon länger abzeichnete, so tut es doch weh. Es waren Jahre, in denen wir viel mit- und voneinander gelernt hatten, gute und schlechte Zeiten miteinander verbrachten. Und dann ist da vielleicht nur dieses eine falsche Wort, wie ein Tropfen und das Fass der Freundschaft läuft über und aus. Trauer, Schmerz. Verlust. Hoffnung.

Ich könnte jetzt die Plattitüde von der einen sich schließenden Tür verwenden mit der Öffnung einer neuen, aber ist das Leben so? Öffnen und schließen im Gleichklang? Was, wenn es eine Drehtür ist? Will ich weiter darüber nachdenken?

Am Reformationstag war ich zu einer Beerdigung eingeladen, die Mutter einer Freundin wurde zu Grabe getragen. Ohne diese ausdrückliche Einladung wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass ich dort nicht nur willkommen, sondern erwünscht bin. Siza hat mich „adoptiert“ nach dem Tod meines Mannes, zumindest in Pflege genommen, und mir wie viele andere geholfen meine Verbitterung abzustreifen wie eine alte Haut. Mir mit ihrer Wertschätzung meine eigenen Stärken und positiven Eigenschaften gezeigt und geholfen weiterzuentwickeln. Dafür bin ich ihr dankbar. Gleichzeitig brachte mich die Einladung zur Beerdigung in Warp-Geschwindigkeit an den Tag zurück, an dem mein Mann beerdigt wurde. An die Freude, die ich trotz aller Trauer und Belastung empfand, als die Freundin meiner Kindheit und liebgewonnene Kolleginnen der Feier beiwohnten. Meinetwegen. An die Tränen, die flossen. An die Zuneigung und Sympathie, das Zeichen der anderen, dass meine Selbstwahrnehmung sich deutlich von der Fremdwahrnehmung unterscheidet.

Der Anwalt meines Vermieters bemängelt, dass ich diesem keinen Respekt entgegenbringe. Respekt als einseitiger Bestandteil eines Mietvertrags? Oder nur weil ich eine Frau bin und er ein alter weißer Mann? Respekt wird erwiesen, verdient vielleicht, kann ein Geschenk sein. Aber eine einklagbare Forderung? Deutsches Rechtssystem, wir werden sehen.

Gute Überleitung zum Insolvenzverfahren der Element Insurance AG, dem Rückversicherer, der erstmals in Deutschland als erfolgreiches Start-Up begann und dann so kläglich scheiterte. White Label Versicherer. Ich kenne inzwischen ein paar Begriffe mehr. Sprich vorne auf dem Versicherungsschein ist eine renommierte Versicherung aufgedruckt und im Kleingedruckten irgendwo weiter hinten taucht dann die „No Name“ Versicherung auf. Ist ein bißchen so wie mit den Eigenmarken im Supermarkt, nur da steht ja deutlich der Auftraggeber drauf. Hier nicht.
Während meines Urlaubs gönnte ich mir die Akteneinsicht im Amtsgericht Charlottenburg, nicht der kürzeste Weg, aber ich wollte wissen, ob und ggf. was da abgeht…
Schließlich habe ich ja von Berufswegen ab und zu mit Insolvenzen zu tun und kennen mich ein wenig aus.

Und was ich dort in den Akten las, machte mich fassungslos. Aber nicht handlungsunfähig. Nicht lustig. Eine Geldumverteilung ohne Gleichen, oder doch „mit Gleichen“? So ein System etabliert sich ja nicht von heute auf Morgen. Hier die absolute Kurzfassung mit gerundeten Zahlen, stark heruntergebrochen, anhand von Fotographien nachweisbar.

Zum Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung gab ein Vermögen von 84 Mio. Klingt erstmal gut, aber ca. 320.000,00 Gläubigerinnen. Da wird es dann schon enger. Ein großer Teil Sachversicherungen wie Haftpflicht, Rechtsschutz, Tierkrankenversicherung. Diese Gläubiger verlieren „nur“ die bereits bezahlten Beiträge und standen ggf. ohne Versicherung da. Mit Sicherheit für viele ein finanzieller Engpass, vielleicht auch ein Desaster, aber überschaubar. Ich gehöre zu den Gläubigerinnen mit einem guten fünfstelligen Betrag, Unfallversicherung – Dauerschaden. So, dies nur nochmal zu Erinnerung bevor es jetzt mit den Zahlen weitergeht.

84 Mio. waren da, davon befanden sich 42 Mio. im sog. Sicherungsvermögen nach § 125 VAG als eiserne Reserve für genau solche Fälle wie diese, Zahlungsunfähigkeit und trotzdem Auszahlung an die Versicherten. Sozusagen das Sparschwein, unantastbar. Dachte auch mein Versicherungsmakler, als er mir von der Insolvenz berichtete. „Machen Sie sich keine Sorgen, es gibt doch das Sicherungsvermögen!“. Er kannte den Insolvenzverwalter nicht, ich hatte damals schon so meine Bedenken. Ich würde überreagieren, seine Antwort. Leider zeigten die Akten im Amtsgericht, dass ich Recht hatte.

Insolvenzverwaltervergütung, lt. Gesetz 1,25 Mio. plus einen Zuschlag von 25 % für die vorläufige Insolvenzverwaltung. Irgendwie ein bisschen, wenig, so insgesamt 1,5 Mio. dachte sich da wohl Friedemann Schade und führte diverse Erschwernisse ins Feld, mit denen sich die Grundvergütung super puschen lässt. Am Ende kam er auf 900 % Zuschlag. In seiner großen Güte, vielleicht schreibe ich später noch einen Dankesbrief, wollte er aber nur (!!) einen Zuschlag von insgesamt 650% haben.

Macht bei einer Grundsumme von 1,25 Mio. dann knapp 10 Mio.

Ja, der Gläubigerausschuss und das Amtsgericht nickten die Höhe der Vergütung auch tatsächlich ab. Stellt sich natürlich die Frage, aus welchem Topf nehmen? Freie Masse und/oder Sicherungsvermögen (Sparschwein, unantastbar)? Friedemann Schade ließ Gutachten erstellen und entschied sich dann 8 Mio. aus dem Sparschwein zu entnehmen, schwupps, dieses war dann gleich um über 20 % schlanker.

Und was macht der amtlich bestellte Pfleger des Sicherungsvermögens? Heißt tatsächlich so. Nichts. Warum auch, er war schließlich vom Insolvenzverwalter für diesen Posten vorgeschlagen worden. Wo liegen bei ihm dann die primären Interessen? Bei dem Mann, der seine Rechnungen bezahlt, oder bei unbekannten Gläubigern so wie mir. Die Antwort ergibt sich, glaube ich, von selbst.

Und so ging es weiter und weiter mit der Geldumverteilung. Die Akteneinsicht las sich für mich wie ein spanender Wirtschaftskrimi, so viele für mich wirklich interessante Rechtsfragen werden dort aufgeworfen und immer im Sinne des Insolvenzverwalters von den beauftragten Gutachtern beantwortet. Ich kann mit den Zahlen und Verstrickungen ja etwas anfangen im Gegensatz zu vielen. Ich bewundere auch die Chuzpe des Friedemann Schade, der selbst immer wieder im Insolvenzbericht darauf hinweist, dass er Geschichte schreiben wird. Und ja, dieser Mann hat damit absolut recht! Ich frage mich nur als was bzw. wer? Großer Umverteiler zu seinen Gunsten oder Sachverwalter mit Sorgfalt, um den Gläubigern bestmöglich zu dienen? Ich meine die Antwort heute schon zu kennen.

Wer mich kennt, weiß natürlich auch, dass in solch einer Situation „abwarten und Tee trinken“ nicht meins ist. Ich habe inzwischen den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags angeschrieben, genauso wie den vom Abgeordnetenhaus in Berlin. Und die Mitglieder des Gläubigerausschusses, dessen Zusammensetzung und meine Gedanken dazu könnten gut einen eigenen Beitrag bilden. Die Geschichte dem „Fränkischen Tag“ angeboten, weil, da war doch mal was mit „Investigativem“ Journalismus. Wenn die mir nicht bis zum Ende der nächsten Woche antworten, klingle ich woanders. Und ich wollte schon immer mal ins Fernsehen.

Und nein, ich glaube nicht, wirklich viel erreichen zu können. Die Mio. sind weg, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber vielleicht wird zukünftig doch besser hingeschaut von den verantwortlichen Gremien und, also dann würde ich schon sehr viel erreicht haben, die Insolvenzverwaltervergütung in absoluten Zahlen nach oben gedeckelt, Träumen ist ja noch erlaubt.

Und sonst? Positives? Oder etwas, wo eine positive Grundeinstellung bei der Verklärung helfen könnte? Ich habe gestern mal wieder Emails in Sachen Finanzierung des zweiten „Ayla Richter Froschkönigin Awards“ geschrieben. Und zeitnah eine Antwort bekommen. An einem Samstag. Und nein, keine Zu- oder Absage, sondern lediglich der Hinweis, dass meine Anfrage geprüft wird. Und schon darüber habe ich mich gefreut, ich bin genügsam geworden. Denn so viele Intuitionen antworten einfach nicht, keine Eingangsbestätigung, nichts. Schweigen. Ich finde das unhöflich. Wenn schon heutzutage alles über Email laufen soll, dann sollte aber auch sichergestellt werden, dass alle Mails gelesen und der Eingang bestätigt wird, Reihenfolge natürlich andersrum.

Ach, ich könnte noch so viel erzählen, aber der kleine Hunger klopft an die Tür des Arbeitszimmers. So es drum, ich lasse ihn nicht warten und verbleibe bis zum nächsten Mal mit dem Wunsch, dass Ihr eine gute Zeit habt.