Was will ich wirklich?

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Nachgefragt und nachgedacht

Es ist Freitagnachmittag und ich bin noch ein bisschen matschig im Hirn von der Vollnarkose vor zwei Tagen. Müde bin ich auch, denn nachts ist der Schlaf ein seltener Gast.

Gelesen habe ich heute schon eine Runde, war bei der Krankengymnastik, habe mich um mein Geld gekümmert, sprich endlich eine kompetente Person wegen der falschen Krankenhausrechnung erreicht und sogar ein bisschen die Wohnung geputzt. Pflicht ist erledigt, Zeit für die Kür.

Bloß, was ist die Kür? Fernsehen und stricken? Halt nein, stricken geht so kurz nach der Operation noch nicht. Spazieren gehen? War ich heute auch schon und im Übrigen regnet es in Strömen. Also nein.

Zeit für einen Blogbeitrag? Vielleicht. Mal sehen, wohin die Gedanken mich treiben, was die Finger auf der Tastatur hergeben.

Gestern sah ich auf Instagram ein kurzes Reel mit dem Thema “Was willst du wirklich?“ Und diese Frage lässt mich nicht los. Beschäftigt mich. Was will ich wirklich?

Schmerzfrei sein. Ja, unbedingt, aber ich denke das ist nicht gemeint. Wieder arbeiten nach mehr als sieben Monaten zu Hause, vielleicht. Ich liebe meine Arbeit, aber das Umfeld ist eine Katastrophe. Also sehr ambivalent.

Dabei geht es mir richtig gut. Immer noch volles Gehalt trotz der langen Fehlzeit. Ich lese gerade „Ladyparts – Memoiren eines Frauenkörpers im 21. Jahrhundert“ von Deborah Copaken. Ja, Amerika. Ein definitiv anderes Gesundheitswesen. Deutlich teurer und überhaupt und sowieso. Hire and fire. Das ist mir als Beamtin unbekannt. Dafür gibt es andere Schattenseiten. Aber nur noch wenige Jahre zur Pension. Ob dann alles besser wird? Sehr zweifelhaft. Anders halt. Und das einzige Beständige ist ja der Wandel, das wissen wir seit Heraklit, also sehr, sehr langer Zeit.

Was will ich wirklich? Was an mir zerrt, ein bisschen, zumindest konnte ich es in den letzten Wochen mehr als einmal spüren, ist wieder etwas mit Frauen für Frauen zu unternehmen. Vielleicht einfach „nur“ einen Kaffeeklatsch organisieren oder ein gemeinsames Abendessen. Gucken, ob es „meine“ Gruppe noch gibt. Ob das Bedürfnis nach gemeinschaftlichen Aktionen, nach Austausch da ist. Fehlt nur noch eine Idee. Obwohl, Lesung im Wohnzimmer geht immer, oder? Zwei Autorinnen hätte ich an der Hand.

Was will ich wirklich? Vielleicht ein zweites Buch herausgeben? „Vielleicht“ ist als Antwort schon suboptimal, denke ich mir.

Was möchte ich wirklich? Mich mit erwachsenen Menschen austauschen, sprechen, zu Abend essen. Ohne etwas organisieren zu müssen. Mal rauskommen. Die schicken Kleidungsstücke anziehen anstelle der bequemen. Gilt dieser Wunsch, auch wenn er vielleicht etwas oberflächlich ist?

Was will ich wirklich? Okay, ich gehe eine Stufe tiefer, mindestens. Und da kommt eine Antwort, die ich fast schon erwartet hatte: Ein eigenes Leben, eine größere Trennung vom Leben meines Kindes als bisher.

Was es dazu braucht? Wahrscheinlich nur ein Freisprechen meinerseits von der Verantwortung seines heutigen Lebens. Also die Akzeptanz, dass ich eine schreckliche Kindheit nicht ungeschehen machen kann. Dass das Schwingen eines Zauberstabs nicht reichen wird, um Wunden zu schließen und sauber heilen zu lassen. Zumal ich keinen Zauberstab habe oder magische Worte kenne. Da muss mein Kind sich schon selbst kümmern.

Ich kann nur anstupsen und/oder Angebote machen. Wie zum Beispiel an einer Familienaufstellung teilzunehmen. Meine nach fast 50 Jahren wiedergefundene Cousine schwört darauf. Und ich selbst hatte schon früher, also vor ganz vielen Jahren, damit auch Erfolge und Aha-Erlebnisse im Rahmen von Therapiesitzungen. Damals nahmen wir allerdings “nur“ Steine als Stellvertreter. Trotzdem wurden Beziehungsgeflechte deutlich. Letzte Woche meldete ich mich zu einem ganzen Wochenendseminar an. Ich bin gespannt.

Ja, ich wünsche mir ein paar Antworten für mein Leben auf Fragen wie: Warum bin ich jetzt wiederholt krank, nachdem mein Mann tot ist und ich frei bin? Warum behindere ich mich selbst, stelle mir bildlich gesprochen ein Bein, stolpere? Welche Glaubenssätze stecken dahinter? Was erlaube ich mir selbst nicht?

Ja, ich wünsche mir wirklich ein paar Antworten, mit denen ich an mir selbst arbeiten kann. Schließlich komme ich aus einer langlebigen Familie. Ich will ein erfülltes Leben, heute, morgen, spätestens übermorgen.

Was will ich wirklich? An einem Schreibwettbewerb teilnehmen! Ist auch eine Antwort. Und warum tue ich das dann nicht endlich? Ich kann schreiben, das weiß ich. Zwei Wettbewerbe habe ich mir momentan ausgeguckt.

Bei dem einen ist das Thema „geheim“. Kurzgeschichte. Würde da dieser Text schon gelten? Weil, was ich wirklich will, ist so geheim, dass ich es mir selbst noch nicht eingestehe. Da fehlt anscheinend Mut zur Selbsterkenntnis.

Bei dem anderen brauche ich nur einen Prosatext mit mindestens 500 Wörtern. Hm. Ein Blick auf den Bildschirm unten links zeigt mir mehr als 750 Wörter an. Würde reichen.

Bin ich so mutig? Was ist der „worst case“? Andere Texte sind besser bzw. sprechen die Juroren und Jurorinnen mehr an. Meiner schafft die erste Runde nicht. Gewogen und für zu leicht befunden, vielleicht. Aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es nicht wissen. Also ist die klare Antwort auf die erste Frage dieses Absatzes ein „Ja“.